Heute ist earth over
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07
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2021
Dass wir, die Menschen, über unsere Verhältnisse leben und nahezu ungehemmte Ausbeuter unseres eigenen Heimatplaneten sind, dürfte nichts Neues sein. Fast alle unsere alltäglichen Gewohnheiten, insbesondere das Reisen und die allgemeine Mobilität, tragen erheblich zum Verbrauch endlicher Ressourcen bei.
Am heutigen Donnerstag (29. Juli 2021) wird diese Tatsache noch deutlicher, denn heute ist der so genannte Earth Overshoot Day. Der Tag, an dem die Menschen mehr Ressourcen verbraucht haben werden, als die Erde innerhalb eines Jahres produzieren kann.
Dazu werden UN-Statistiken eines bestimmtes Jahres zum Ökologischen Fußabdruck der Menschheit sowie der Biokapazität genommen, miteinander geteilt und mal 365 gerechnet. Das Ergebnis liefert den Earth Overshoot Day eines jeweiligen Jahres.
Gleiches lässt sich übrigens für jedes einzelne Land berechnen:
Seit 1970 können wir erkennen, dass sich der Overshoot Day immer weiter nach hinten verschiebt – in diesem Jahr bereits auf Ende Juli. Ein trauriges Zeichen und ein wichtiges Signal, dass noch nicht genug getan wird, um die negativen Auswirkungen menschlichen Lebens auf die Umwelt zu reduzieren.
Der motorisierte Individualverkehr leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verschlechterung von Luft und Klima. Das hat vor allem mit unserer gesteigerten Mobilität zu tun, die sich in den vergangenen vierzig Jahren allein in Deutschland fast verdoppelt hat, wobei das Hauptverkehrsmittel immer noch der individuelle Pkw ist – mit steigender Tendenz.
Während im Jahr 2000 noch 532 Pkw auf 1000 Einwohner gekommen sind, ist diese Zahl bis 2020 auf 580 Pkw pro 1000 Einwohner gestiegen. Dieser Trend belastet die Umwelt in vielerlei Hinsicht: die Luftverschmutzung nimmt durch den gesteigerten Ausstoß von Schadstoffen zu, zudem benötigen immer mehr Autos immer mehr Platz, was zu einer großflächigen Versiegelung des natürlichen Bodens führt.
In Deutschland ist fast die Hälfte der Bodenfläche versiegelt, unter anderem um mehr Platz für Straßen und Stellflächen zu schaffen – mit katastrophalen Auswirkungen. In den letzten Wochen konnten wir hautnah miterleben, was der Eingriff des Menschen in natürliche Lebensräume für Folgen mit sich bringen kann. Regen kann nicht mehr so ohne Weiteres vom Boden aufgenommen werden, vorhandene Kanalisationen können die Wassermassen nicht mehr fassen, es kann zu Überflutungen kommen.
All diese Szenarien, die schon jetzt unser Leben massiv beeinflussen, sollten uns aufrütteln: die Verkehrswende ist ein wichtiger Teil, um schädliche, menschengemachte Umwelteinflüsse zu verringern und muss daher so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Dass ein Umdenken im Verkehr notwendig ist, ist längst offensichtlich. Nun gilt es, Anreize zu schaffen, die das Umsteigen auf öffentliche, geteilte Mobilität erleichtern.
Nur dann kann es gelingen, dass wir die rund 17 % der weltweiten CO2-Emissionen, die unser Mobilitätsverhalten mit sich bringt, reduzieren und die Ressourcen der Erde schonen.
Dabei spielen unsere bisherigen Gewohnheiten eine entscheidende Rolle. Autofahrer sind es gewohnt, dass sie es leicht haben: Straßen gibt es überall, Umwege oder anschließende längere Fußwege zum Zielort gibt es so gut wie nicht, riesige Flächen werden bebaut, damit Autos, die einen Großteil des Tages nur herumstehen, möglichst überall geparkt werden können. Diese und weitere Annehmlichkeiten haben uns dazu erzogen, das Auto zu nutzen. Doch dieses Verhalten kann man auch wieder abtrainieren.
Es bedarf dazu zwei Dinge: 1) Die Nutzung öffentlicher, geteilter Verkehrsmittel attraktiver machen und 2) die Nutzung des eigenen Autos unattraktiver machen.
Natürlich sind diese Forderungen nicht uneingeschränkt auf alle Menschen und Lebenssituationen übertragbar. Menschen, die aus ländlichen Regionen kommen, sind in der Regel von ihrem eigenen Auto abhängig, öffentliche Verkehrsmittel verkehren kaum oder nicht regelmäßig.
Es muss also ein gerechter Ausgleich geschaffen werden, der allen Menschen etwas nützt und nicht diejenigen bestraft, die erst recht auf ein Auto angewiesen sind. Etwa Menschen, die aus den Städten ziehen, weil sie sich eine teure Stadtwohnung nicht leisten können, trotzdem aber jeden Tag weit zur ihrer Arbeitsstelle pendeln müssen.
Ein attraktives Angebot geteilter Mobilität kann dann geschaffen werden, wenn Mobilitätsmöglichkeiten entwickelt werden, die wirklich der Lebensrealität der Menschen entsprechen. Das können Mitarbeitershuttle (bei großen Unternehmen) oder Zubringerdienste on-Demand sein, die Menschen zu Hauptverkehrsknotenpunkten bringen, die sie zu Fuß oder per Fahrrad nicht ohne Weiteres erreichen können.
Ein wunderbares Beispiel, dass solche Demand-Responsive Transport Angebote Anklang finden, ist beispielsweise der Clam‘Express in der Region Paris. Mit einer Fahrzeugflotte bestehend aus drei Fahrzeugen, werden Menschen auf den ersten und letzten Kilometern von ihrem Zuhause bis zu ihrem Zielort bequem befördert. Wobei der Service Knotenpunkte anfährt, an denen die Fahrgäste ganz einfach in das reguläre Verkehrsnetz umsteigen können. Der Clam’Express ist inklusiv, Menschen mit eingeschränkter Mobilität können ihn problemlos buchen und nutzen. Darüber hinaus werden die Kleinbusse elektrisch angetrieben, was einen zusätzlichen positiven Beitrag zur Energieeffizienz leistet.
Weitere Lösungen für ländliche Mobilität, besonders ein Mobility as a Service (Maas)-Ansatz können in unserem aktuellen White Paper nachgelesen werden. Ein Link zum Download steht unten auf der Seite bereit.
Auch finanzielle Anreize, etwa vergünstigte Tickets für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder kostenlose Tickets für Senioren (zu bestimmten Zeiten), wie es etwa in Großbritannien mit dem „Older People Freedom Pass“ geregelt ist, sollten von Regierungen in Erwägung gezogen werden, um mehr Menschen den öffentlichen Transport schmackhaft zu machen.
Gleichzeitig sollten Menschen, die jeden Kilometer zu mit dem eigenen Auto zurücklegen und große Teile des öffentlichen Raums beanspruchen durch beispielsweise deutlich höhere Parkkosten zur Kasse gebeten werden.
Unter dem Hashtag #MoveTheDate werden online Lösungen zusammengetragen, die dabei helfen sollen, den Earth Overshoot Day weiter nach hinten zu verschieben.
Die oben aufgeführten Lösungen und noch weitere Anreize, die den öffentlich zugänglichen, geteilten Verkehr zu einem ‚normalen‘ Fortbewegungsmittel der breiten Bevölkerung machen, können es schaffen, dass wir den Earth Overshoot Day um 13 Tage (im Vergleich zu heute) nach hinten verschieben. Es reicht bereits aus, 50 % des aktuellen durch Mobilität bedingten Ausstoßes einzusparen. Das bedeutet, dass etwa ein Drittel aller Wege, die üblicherweise mit dem Auto zurückgelegt werden, durch die Fahrt mit einem öffentlichen Transportmitteln ersetzt werden sollten.
Eine Forderung, die nicht utopisch ist. Entscheidungsträger:innen sind jetzt in der Pflicht, die Wege für einen effektive Verkehrswende zu ebnen. Innovative Ideen und Produkte dafür bestehen bereits und müssen nur noch effektiv eingesetzt und gerecht verteilt werden.
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