Das streben nach für
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2022
Als guten Wunsch für das Jahr 2022 teilt Grégoire Bonnat, Mitbegründer und CEO von Padam Mobility, hier einige Gedanken zum Thema Fürsorge („bienveillance“) im Unternehmenskontext. Genau wie beispielsweise unser Einfluss auf das Klima, ist dieses Thema zu einem zentralen Diskussionspunkt in Unternehmen geworden. Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Wie zeigt sich das Thema „Fürsorge“ bei Ihnen?
Seit einiger Zeit geben 100 % der Bewerber, mit denen wir Vorstellungsgespräche führen, an, dass sie ein ‚fürsorgliches‘ Unternehmen suchen.
Eine kurze Suche in den sozialen Netzwerken und in den für die Berufswelt relevanten Medien bestätigt, dass die „Fürsoge“ von Unternehmen seit etwa zwei Jahren regelmäßigr Gesprächsgegenstand ist. Jetzt wo das Jahr 2022 noch jung ist, ist sicherlich ein guter Zeitpunkt, den Begriff mal wieder mehr in den Vordergrund zu rücken: die Umwälzung des Arbeitsmarktes durch Covid, die massive Umstellung auf Home Office, spürbare Spannungen auf dem Arbeitsmarkt und der zunehmende Kampf um Talente, Themen, die in einer von Ängsten geprägten Medienlandschaft an Bedeutung gewinnen. All dies weckt bei Arbeitssuchenden den Wunsch, ein fürsorgliches Unternehmen zu finden, und bei Unternehmen den Drang, öffentlich über dieses Thema zu sprechen.
An dieser Stelle wundern wir uns jedoch bisweilen etwas. Wir erwarten nicht, dass es eine Standarddefinition von ‚Freundlichkeit‘ oder Fürsorge gibt. Bei Padam Mobility gibt es Mitarbeiter*innen, die sich nicht wohl dabei fühlen, einen Kollegen/eine Kollegin anzusprechen oder jeden Morgen eine Begrüßungsrunde zu machen. Andere fallen wiederum eher durch ihren bissigen Humor und ihre verrückten Ideen auf als durch Gelassenheit und Höflichkeit. Und wir verlangen von den Bewerber*innen sicherlich nicht, dass sie ihren Charakter in die ein oder andere Richtung verändern. Dennoch hat Padam Mobility Ende 2018 „Fürsorge“als einen von vier Werte verankert, die unsere Arbeit leiten und die wir bei der Auswahl unserer Mitarbeiter berücksichtigen. Machen wir etwas falsch?
Vielleicht sollten wir mit dem „Warum“ beginnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Unternehmen fürsorglich verhält, ist in der Tat gering, wenn seine Führungskräfte und das Topmanagement nicht von diesem Wert und seinem Nutzen überzeugt sind. Dies gilt natürlich auch für andere Werte, die ein Unternehmen fördern möchte.
Die Schaffung eines fürsorglichen Umfelds scheint für neu gegründete Unternehmen unerlässlich zu sein, als ob dies ein wesentlicher Bestandteil ihrer Daseinsberechtigung wäre. Dennoch scheinen sie nicht in der besten Position zu sein, dies zu tun. Start-ups kämpfen oft ums Überleben, weil ihr Markt noch nicht ausgereift ist oder weil viele Wettbewerber um den ersten – und manchmal einzigen – Platz buhlen.
Es gibt auch keinen Grund, warum ein „missionsorientiertes“ Unternehmen automatisch fürsoglicher sein sollte. Sie entwickeln ein Wundermittel zur Verringerung der CO2-Emissionen in der Atmosphäre? Wenn Sie noch kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, müssen Sie hart arbeiten, bis Sie es haben; wenn Sie es haben, besteht eine hundertprozentige Chance, dass viele andere konkurrierende Unternehmen ebenfalls an den Start gehen werden. Der Druck, ‚wohlwollend‘ zu handeln, mag durch die Mission manchmal noch größer sein…
Der zusätzliche exogene Druck, den junge Unternehmen spüren, macht sie nicht automatisch fürsorglicher. Er gibt ihnen zusätzliche Gründe, es zu wollen, weil es eine Frage des Überlebens wird. Wenn wir zusammenhalten, wenn wir wissen, wohin wir segeln und wenn wir wissen, dass der Sturm vorübergehen wird, sind wir bereit, uns jedem Unwetter zu stellen. Für ein junges Unternehmen bedeutet das die Bereitschaft, Zeit, Gehirnschmalz und sogar Geld zu investieren, um ‚Fürsorge‘ zum Leben zu erwecken. Das Ziel sollte sein, die Mitarbeiter aufrichtig wertzuschätzen und zu motiveren, anstatt sie auszubrennen.
Was ist also Fürsorge? Der Begriff der Fürsorge muss über die rein formale Sichtweise hinausgehen, die – je nach persönlichem Standpunkt – direkt mit Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen oder übermäßiger Beschützung der Mitarbeiter gleichgesetzt werden kann. Für uns beginnt alles mit der Fähigkeit zuzuhören.
Der erste Schritt ist die Bereitschaft, zuzuhören, d. h. das Wohlbefinden der Teams und ihre Ideen zu schätzen. In den allermeisten Fällen ist dies nicht unbedingt der Punkt, an dem es hakt. Alle Unternehmen wissen, dass Mitarbeiter*innen, die sich wohlfühlen, effektiver und loyaler sind und oft selbst die besten Lösungen für ihre Probleme finden.
Dann muss man wissen, wie man zuhört. Das muss man als Einzelner erst einmal lernen. Nicht jeder hat die gleiche Art, sich auszudrücken, und eine nicht darauf vorbereitete Führungskraft kann leicht übersehen, was ein Kollege oder eine Kollegin zu sagen (oder zu schreiben) versucht. Es geht nicht darum, Kurse in Psychologie zu geben, sondern Manager darin zu schulen, sich bewusst zu machen, dass manche Menschen sich mit einer bestimmten Art des Zuhörens wohler fühlen. Für die Schulung von Führungskräften wurden einige sehr wirksame Methoden entwickelt (bei Padam Mobility haben wir Processcom verwendet, aber das ist nicht die einzige).
Einige Mitarbeiter*innen erwarten vielleicht ein einfühlsames Ohr, das ihnen das Gefühl von Anerkennung für ein Problem vermittelt, ohne dass es dafür eine unmittelbare Lösung gibt. Andere wollen sicher sein, dass die Führungskraft oder das Unternehmen ihr Problem verstanden und aufgenommen hat und über die entsprechenden Fakten verfügt, um bei künftigen Entscheidungsprozessen darauf Rücksicht zu nehmen.
Für ein Unternehmen hat das Zuhören daher viel mit der Ausbildung seiner Manager, einschließlich der Führungsebene, zu tun sowie mit den verschiedenen Kommunikationskanälen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihre Schwierigkeiten in unterschiedlichen Kontexten anzusprechen.
Die Arbeit ist damit noch nicht beendet. Der Vorgesetzte oder die Vorgesetzte ist kein Seelenklempner, der/die dafür bezahlt wird, seinen Mitarbeitern zu helfen, alle Fehler oder Verbesserungsmöglichkeiten in Notizbücher einzutragen! Das Unternehmen kümmert sich um seine Mitarbeiter*innen, indem es ihre Probleme löst, wenn es das kann. Oder indem es ihnen die Möglichkeit gibt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, um etwas zu erreichen. Auf die Fürsorge durch Zuhören folgt das Handeln.
Der erste Weg besteht darin, Veränderungen zu wagen, agil zu sein. Es erfordert viel Disziplin, Dinge, die bisher funktioniert haben, in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere für junge Unternehmen, die sich verändern müssen, die ihre Größenordnung umstellen müssen, die Probleme lösen müssen, die es vorher nicht gab, die begreifen müssen, dass die Voraussetzungen für die eigene Entfaltung mit 10, 50 oder 200 Mitarbeitern nicht dieselben sind.
Das Unternehmen hat eine zweite Möglichkeit, nämlich nichts zu ändern, obwohl ein Bedarf besteht. Dafür kann es vielfältige Gründe geben, wirtschaftliche, logistische, Widersprüche mit betrieblichen Zwängen oder sogar mit bestimmten Regeln des Zusammenlebens (Büroleben oder Home Office). Es kann auch vorkommen, dass ein Problem behandelt werden sollte, aber entschieden wird, dass andere Probleme Vorrang haben. In diesem Fall ist ein Unternehmen, das sich fürsorglich verhalten will, zur Transparenz verpflichtet.
Einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin zu sagen: „Natürlich verstehe ich dein Problem und werde es lösen“, ist zwar nett, aber nur, wenn es anschließend auch wirklich geschieht. Wenn nicht, kann dies in der Folge zu ernsthaften Vertrauensverlusten führen. In dieser Hinsicht ist die Fähigkeit, Prioritäten zu definieren und zu kommunizieren, eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Merkmale von Fürsorge.
Natürlich gibt es nicht, die eine Wunderlösung, denn Fürsorge muss täglich neu erarbeitet werden. Allerdings ist es wichtig, auf die eigene Umgebung zu achten, die richtigen Antworten finden sich meist schon innerhalb der Gruppe.
Fühlt sich jemand ungehört: Fehlt ein Prozess, damit er oder sie mehr Einfluss nehmen kann, oder sollte im Gegenteil ein zu starrer Prozess verworfen werden? Wird durch ein organisatorisches Problem ein Teil der Arbeit am unteren Ende der Wertschöpfungskette vergeudet? Bekommen die Mitarbeiter ein hilfreiches Feedback zu ihrer Arbeit, damit sie sich verbessern können und sich anerkannt fühlen? Gibt es zwischen bestimmten Teams fehlende Schnittstellen oder einen Mangel an Instrumenten zur Erleichterung der Kommunikation, oder im Gegenteil eine Sättigung – oder „Slackigung“😊 – der Informationen?
Hüten Sie sich aber davor, es zu übertreiben und gar zu einem überfürsorglichen Elternteil zu werden, das seine Mitarbeiter vor allen Schwierigkeiten schützt, bis sie sich irgendwann langweilen. In machen Fällen ist es äußerst befriedigend, mit einer schwierigen Situation konfrontiert zu werden und sie mit Bravour zu meistern, vorausgesetzt natürlich, die Arbeitsbedingungen stimmen. Ganz zu schweigen davon, dass eine Führungskraft, die ständig versucht, ihre Kollegen und Kolleginnen vor Schwierigkeiten zu schützen, sich selbst und das Unternehmen gefährdet, weil sie sich selbst überlasten kann und die Kompetenzentwicklung hemmt.
Fürsorge zu zeigen, heißt auch anspruchsvoll sein zu können: Wenn die Dinge gut laufen, ist es viel einfacher, von jedem Einzelnen zu verlangen, sein Bestes zu geben, neue Probleme zu lösen, neue Herausforderungen anzunehmen.
Es ist Aufgabe jedes Unternehmens, sein eigenes Bild von Fürsorge zu schaffen; seine Mitarbeiter*innen (und Kund*innen) können am besten einschätzen, wie glaubwürdig es ist. Daraus können sich ganz unterschiedliche Rituale ergeben.
Ein Vorstellungsgespräch mit Fokus auf spezifische Fähigkeiten kann eine sehr gute Situation sein, die es sowohl dem Bewerber/der Bewerberin als auch dem Unternehmen ermöglicht zu beurteilen, ob seine/ihre Qualifikationen den Anforderungen der Stelle entsprechen. Auf diese Weise gibt es später keine bösen Überraschungen. Für eine andere Stelle hingegen kann sich die Beurteilung auf die Lernfähigkeit und die zwischenmenschlichen Fähigkeiten des Bewerbers/der Bewerberin konzentrieren, wenn diese/r anschließend fachlich weiter ausgebildet werden soll. In jedem Fall ist es wichtig, die Bedingungen und Aufgaben der Stelle transparent zu machen, um mit einem hohen Maß an Vertrauen starten zu können.
Ein gutes Meeting kann ein Meeting sein, bei dem Sie sicherstellen, dass jeder zu Wort kommt und das mit einer klaren, dokumentierten Entscheidung endet, die dem Rest des Teams mitgeteilt wird. Oder aber auch ein Meeting, das erst gar nicht stattfindet, weil das Thema in in viel kürzerer Zeit schriftlich abgehandelt werden kann.
Genauso kann eine sorgfältig erstellte Jahresbilanz die Fakten, die erzielten Ergebnisse und die aufgetretenen Probleme sachlich darstellen und dabei optimistisch in die Zukunft blicken. Diese Art von Besprechung könnte auch dazu genutzt werden, weniger den Manager reden zu lassen, sondern besonders die Mitarbeiter*innen anzuhören.
In Ihrem Unternehmen kann das Thema Fürsorge komplett anders ausgelegt werden, und das ist auch völling in Ordnung. Versuchen Sie nicht, allen im Team die Verwendung von Vornamen aufzuzwingen, aber bleiben Sie aufmerksam. Wir hoffen, dass Sie im Jahr 2022 weniger Blogartikel über Fürsorge lesen und sich stattdessen auf die richtige Umsetzung konzentrieren – nach Ihrem eigenen Stil!
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